Esslinger Zeitung – Stuttgart vom 30. August 2012

Korrekt und perfekt

Von Martin Mezger

Trinity Baroque mit einem anglikanischen Evensong in der Uhlbacher Andreaskirche

Manche Sünden haben auch ihr Gutes: Dass Englands berüchtigter König Heinrich VIII. anno 1533 endgültig lieber Anne Boleyn statt Katharina von Aragón in seinem Ehebett sehen wollte, führte zum Bruch mit Rom, zur Gründung der anglikanischen Staatskirche – und damit zur Entstehung einer englischen Kirchenmusik von eigenständiger und erlesener Qualität. Mit einem anglikanischen Evensong (Abendandacht), wie er Ende des 16. Jahrhunderts stattgefunden haben könnte, gastierte das englische Ensemble Trinity Baroque im Rahmen des Stuttgarter Musikfests in der Uhlbacher Andreaskirche. Liturgisch korrekt wurden nicht nur die Kompositionen (überwiegend von William Byrd) eingeordnet, auch die termingenau zum Tag des heiligen Augustinus am 28. August vorgesehenen Lesungen und Fürbitten erklangen in psalmodierendem Ton. Und historisch korrekt färbte das Englisch der elisabethanischen Zeit die Aussprache der lateinischen wie der englischen Texte.

In solch authentischem Kontext ließ Trinity Baroque das ganze Spektrum der damaligen englischen Kirchenmusik hören – von schlichten sakralen Gebrauchswerken mit knapper Diktion und akkordischem Falsobordone-Satz (etwa in Byrds Responses oder in Robert Stones klangschöner „Vater unser“- Vertonung) bis hin zu groß angelegten, motettenartigen Anthems ( etwa Byrds Magnificat oder seine Augustinus-Vertonung „Tribue Domine“).

Mit geschmeidigen Linien, elastischem Ton und milder, auf die Mittelstimmen zentrierter Leuchtkraft traf das von Tenor Julian Podger geleitete, mit zwei Mezzosopranistinnen, Tenören, Bässen und Orgel, aber keinen Falsettisten besetzte Ensemble perfekt den Gestus von Byrds Musik. Der Komponist, der übrigens der katholischen Opposition angehörte und wohl nur dank der Protektion von Queen Elizabeth höchstselbst schweren Repressionen entging, meidet zwar das exaltierte Espressivo seiner italienischen Zeitgenossen, bannt aber Ausdrucksgehalte und Wortbedeutung in polyphone Geflechte von Spiritueller, quasi objektiver Schönheit (und bisweilen auch in rhythmisch akzentuierende Tonmalerei).

Mit der Psalmvertonung „O clap your hands“ von Orlando Gibbons, gut 40 Jahre jünger als Byrd, öffnete Trinity Baroque zum Abschluss die Pforten der Klangwelt der nächsten Generation: Polyphonie wird hier zum farben- und gestaltenreichen Spiel mit suggestiven Kontrasten, gesungen in klarer Fülle und edelgerundetem Ton.