Deutsche Presseartikel

 

Kölnische Rundschau – 12. Juli 2013

„Elysisches Spiel und christliche Botschaften“

von Matthias Corvin

Der „Romanische Sommer“ macht Station in St. Ursula und St. Cäcilien

…nach soviel langsamen Tempi lechzte mancher Zuhörer vielleicht nach Unterhaltung. Die gab es anschließend mit dem Ensemble Nuovo Aspetto. Spielort war nun die Kirche St. Cäcilien im Museum Schnütgen. Dort erklangen etwas lustige Tänze und Gesänge aus Italien, vom lombardischen Kirchenmusiker Francesco Ratis im 17.Jahrhundert mit christlichen Botschaften unterlegt. So waren die Mahnungen von den sinnlichen Ablenkungen des irdischen Lebens für jedermann verständlich. Die von fünf Sängern präsentierten

Dialoge zwischen menschlicher Seele, Engel und Teufel machte jedenfalls Spaß. Vor allem gefiel die lebendige und fantasievolle Darbietung durch das um Trommel, Barockgitarre oder italienisches Hackbrett Salterio bereicherte achtköpfige Ensemble.

 

BR-KLASSIK - 01. Oktober 2012

Arien und Sinfonien von Johann Georg Reutte

von Klaus Meyer

Bei der Rede von "Wiener Schule" denkt man entweder an die Wiener Klassik oder an Zwöftonmusik. Indes gibt es auch eine Wiener Schule vor Haydn, Mozart und Beethoven beziehungsweise vor Schönberg, und zwar als der Spätbarock in die Vorklassik überging. Eine wichtige Figur dieser Zeit war Johann Georg Reutter. "Nuovo Aspetto" und Olivia Vermeulen haben eine CD mit einem reizvollen Querschnitt aus seinem Werk aufgenommen.

1708 geboren war Johann Georg Reutter ein Altersgenosse vom Bach-Sohn Wilhelm Friedemann, vom Mannheimer Franz Xaver Richter und vom Berliner Carl Heinrich Graun. Reutter war ein "waschechter" Wiener - in Wien wurde geboren, in Wien ist er gestorben, und abgesehen von zwei Jahren in Venedig
und Rom 1729/30 hat er sein ganzes Leben in der Stadt "an der schönen blauen Donau" verbracht. Es war zuerst das Wien von Karl VI., dem letzten großen habsburgischen Barockkaiser, danach die Ära von Maria Theresia. Zu Reutters Lehrern gehörten der eigene Vater, der Mitglied der Hofkapelle und Kapellmeister am Stephansdom war, und der Italiener Antonio Caldara. In beider Fußstapfen trat Reutter junior: 1731 wurde er Wiener Hofkomponist, 1738 Nachfolger seines Vaters am Stephansdom. Und sein Schaffen zeigt eine ähnliche Physiognomie wie das von Caldara: Es umfasst Opern und Oratorien, viel Kirchenmusik und diverse Instrumentalkompositionen.

Bunte Klangbilder
Sechs Arien, ein Trompetenkonzert und mehrere Sinfonien Reutters sind auf der CD versammelt. Der erste Satz der die Kollektion eröffnenden D-Dur-Sinfonie ist ein "Opener", der sogleich Lust und Laune auf mehr macht. Es ist ein wahrlich "abzischendes" Presto von zündender, mitreißender Wirkung, gespielt, als hätten die Musiker des Ensembles einen Turbolader zugeschaltet. "Nuovo Aspetto" formierte sich 2011 aus dem Ensemble "Echo du Danube", ein Consort, das sich aus Gambe, Laute, Harfe und Salterio (Hackbrett) zusammensetzte. Das Hackbrett, das am Wiener Hof bis in die 1760er Jahre hinein überaus beliebt war, übernimmt auch auf der CD eine wichtige Rolle. Eloquent gespielt von Elisabeth Seits tritt es vielfach in den aus Opern und Oratorien stammenden Arien in einen musikalischen Dialog mit dem Mezzosopran, verbindet sich mit dem übrigen Ensemble zu bunten, farbenreichen Klangbildern. Die niederländische Sängerin Olivia Vermeulen, geschult u.a. von Andreas Scholl und René Jacobs, vertraut mit Händel und Telemann, Gluck und Mozart, agiert von zartschmeichelnd bis dramatisch großartig, dabei souverän in Höhe und Koloratur… Arien und Sinfonien von Johann Georg Reutter - Vokales und Instrumentales aus den Jahren einer musikgeschichtlichen Zeitenwende: Wiener "Barockoko".

 

klassik.com - 27. September 2012

Reutter, Johann Georg - Arie & Sinfonie - Vox viennensis

von Jürgen Schaarwächter

Johann Georg (von) Reutter (1708–1772) ist einer der vielen Wiener Komponisten, die im Zuge des Generationenwechsels der Wiener Klassik der Vergessenheit anheimfielen. Dabei war der Zeitgenosse Grauns, Sammartinis und Glucks durchaus kein No-Name; er war Schüler Caldaras und später unter anderem Kapellmeister am Stephansdom und Hofkomponist. Reutters Musik strahlt eine kraftvolle, emotional reiche Aura aus, zumal bei einer derart engagierten Wiedergabe durch das erst 2011 aus dem Ensemble Echo du Danube hervorgegangene Alte Musik-EnsembleNuovo Aspetto, über das man leider im ansonsten vorbildlichen Booklet nichts erfährt. Der Farbenreichtum der Wiedergabe, auch durch den kunstreichen Einsatz von Laute, Harfe, Orgel, Psalterium (Hackbrett) und Cembalo, hebt die Qualitäten der Musik ganz besonders hervor, einer Musik, die verschiedene Stilelemente zu einer durchaus überzeugenden Symbiose verbindet.

Neben einer Sinfonia in D-Dur und der hochemotionalen Sinfonia g-Moll zur ‚azione sacra‘ 'Betulia Liberata' (1734) bietet die CD an Instrumentalwerken ein Trompetenkonzert in D-Dur und ein 'Pizzicato', letzterer Satz möglicherweise eine Reverenz an Vivaldi oder einen anderen Meister der Venezianischen Schule. Das Trompetenkonzert ist eine schöne Ergänzung des Repertoires virtuoser Trompeter, wobei das Orchester nicht zum Stichwortgeber degradiert wird, sondern umfangreiche Ritornelle hat. Hannes Rux bietet den Solopart mit beachtlichem Einsatz, auch wenn es an ein paar Ecken nicht so rund klingt wie es mit modernen Instrumenten fraglos geklungen hätte (aber das ist natürlich auch der Reiz der Besetzung mit historischem Instrumentarium). Das Konzert wird hier in einer neuen Fassung dargeboten, unter Einbezug zweier Sätze aus einem 'Sinfonia-Fragment' (?); herrlich wiegend das Metrum des 'Andante e piano' überschriebenen Mittelsatzes des Werkes, in dem die Trompete schweigt.

Ganze sechs Arien sind der Mezzosopranistin Olivia Vermeulen zugewiesen, aus geistlichen wie religiösen Kompositionen gleichermaßen; in fünfen davon übernimmt das Psalterium reiche konzertante Aufgaben. In ihnen allen kann Vermeulen von zarter Verliebtheit bis zur großen Geste ein reiches Spektrum ihrer warmen, höhen- und koloraturensicheren Stimme präsentieren, die Vergleiche mit Sarah Connolly evoziert; auch hier ist der Anteil instrumentaler Ritornelle beachtlich. Vermeulen nimmt durch ihren unprätentiösen, gar nicht nach Alte Musik klingenden Stimme ein – will meinen, sie wirkt nicht unterdimensioniert, sondern auch für größere Aufgaben geeignet (in Marek Janowskis Berliner 'Parsifal'-Mitschnitt sang sie jüngst eines der Blumenmädchen Klingsors). Die in bester WDR-Qualität aufgenommene CD macht neugierig auf mehr Reutter wie auch auf mehr von diesen Musikern. Wohl so ziemlich die beste Bilanz, die man ziehen kann.

Interpretation: ****
Klangqualität: ****
Repertoirewert: ****
Booklet: ****

 

kulturradio rbb - 18. September 2012

Arie & Sinfonie von Johann Georg Reutter

von Bernhard Schrammek

Das Jahr 1740 gilt im Allgemeinen als Ende der barocken Ära in Wien: In jenem Jahr starb mit Karl VI. der letzte große habsburgische „Barockkaiser“, dessen Regierungsart von absolutistischem Machtanspruch und großer Pracht geprägt war. Ihm folgte seine Tochter Maria Theresia, die angesichts der aufkeimenden europäischen Aufklärung einen gänzlich anderen Regierungsstil einführte. Dieser Politikwechsel besaß weitreichende Konsequenzen, auch auf dem Gebiet der Musik. Fortan waren weniger opulente Bühnenwerke als kleiner besetzte Instrumentalkompositionen gefragt. Die Komponisten dieser Übergangszeit legten damit auch den Nährboden für die Wiener Klassik.

Neue stilistische Prinzipien
Zu den bedeutendsten Musikern dieser Zeit zählte Johann Georg Reutter. Geboren in Wien als Sohn eines Hofmusikers, wuchs er noch im alten Herrschersystem auf und wurde 1731 von Karl VI. zum Hofkomponisten berufen. Unter Maria Theresia stieg er dann zum Vizehofkapellmeister auf und erhielt die Aufgabe, die Hofkapelle auch organisatorisch in neue Strukturen zu führen. Er hinterließ Bühnenwerke und Oratorien, Kirchenmusik und Instrumentalwerke, die von hoher Qualität geprägt sind. Der Übergang von Barock zur Klassik ist bei Reutter besonders gut zu spüren, da er sich auf neue Formen und stilistische Prinzipien einlässt.

Farbiger Stil

Die 2011 aus dem Ensemble „Echo du Danube“ hervorgegangene Gruppierung „Nuovo Aspetto“ hat sich auf einer neuen CD beispielhaft dem Werk Georg Reutters angenommen. Zu hören sind darauf ein Trompetenkonzert, mehrere kurze Sinfonien sowie Arien aus Bühnenwerken und Oratorien. Das Ensemble mit seinen durchweg hervorragenden Solisten beglückt mit einem überaus lebendigen und farbigen Stil. Es werden frische Tempi und Aufführungsformen gewählt, welche der vermeintlich hochbarocken Musik eine angenehme (aufgeklärte) Leichtigkeit geben. Besonderen Anteil an der gelungenen Produktion haben Elisabeth Seitz mit ihrem farbigglitzernden Psalterium-Spiel sowie die Mezzosopranistin Olivia Vermeulen mit ihrem warmen, flexiblen und textverständlichen Gesang.

Bewertung: *****